Die Flüchtlingswellen und die EU – hat sie die Lösung? Eher nicht.


Es bleiben viel zu viele wirksame Hebel ungenutzt

"Wir" jammern über die Migration und tun praktisch nichts, um deren Gründe zu beseitigen.Vielleicht sind die getroffenen Beschlüsse der EU alternativlos? Ich glaube nicht. Dass Einigungsprozesse zwischen 27 und mehr Partnern chaotisch sein müssen, ist einfach nicht zu vermeiden. Aber es läge viel mehr in unserer Hand, das Problem zu lösen.

Bei den derzeitigen „Lösungsversuchen“ klaffen doch riesige Lücken, meine ich, was alles nicht berücksichtigt wird!

  1. Alle an den Tisch bringen, die Aufnahmekapazitäten bzw. Geldressourcen haben, von Argentinien über Russland bis Zimbabwe. Von Abu Dhabi bis Saudi-Arabien. Wir stehen vor einem Weltproblem.
  2. Länder an den Rändern, wie Griechenland oder Tunesien zu den Hauptakteuren zu machen ist frivol.
  3. Endlich eine Bedarfsrechnung aufmachen, wieviel Migration einzelne Länder aus demographischer Sicht benötigen. Abgeglichen mit den Arbeitsmärkten und der Jugendarbeitslosigkeit.
  4. Intensive Diskussion mit den acht Haupt-Herkunftsländern Afrikas .
  5. Neue Wege finden (Patenschaften?) um good governance speziell dort durchzusetzen.
  6. Die Bevölkerungsentwicklung Afrikas muss dort ein Feld aktiver Politik werden.
  7. Alle Handelsübereinkommen und Fischereirechte wären afrikafreundlich zu überarbeiten.
  8. Dafür sorgen, dass die krisennahen Lager bestens ausgestattet werden, vor allem mit medizinischen und Ausbildungsangeboten. Keine Elendsquartiere.
  9. Die Entwicklungshilfe so umstrukturieren, dass sie auch Migration verhindert.

Ein paar Fakten vorab:

Die Flüchtlingslast Je 1000 Bevölkerung:
Flüchtlingsbelastung
die Belastung heute liegt nicht in der EU ...

Das Flüchtlingsproblem ist ein Weltproblem

Also sind alle anzusprechen. Es ist nicht einzusehen, warum große Flächenländer oder durch die Natur mit Bodenschätzen ausgestattete Länder außen vor bleiben, wenn es um diese wichtige Frage geht.

Länder an den Rändern sind nicht jene, die das Problem lösen können

Weder Griechenland noch Spanien, noch Italien noch Tunesien können das Problem lösen. Im Falle der Türkei wurde eine entgeltliche Lösung gefunden, aber diese muss langfristig auch die Akzeptanz der Bevölkerung haben. Dazu kommt, dass nur ein Teil dieser Flüchtlinge in ihre – hoffentlich dann befriedete – Heimat zurück will. Großzügige Aufbaupläne könnten helfen.

Benenne man in der EU endlich die Lücke, bei „Facharbeitern“ und die der Demographie

Deutlich Druck aus dem Kessel käme, würde man die wünschenswerte Zuwanderung benennen. Und sie vor Ort ermöglichen. Wobei hier sicher nur wenige EU-Länder diese auch mit Arbeitsplätzen belegen könnten. Aber immerhin, ein paar Hunderttausend würden profitieren. Natürlich kann man nicht darüber hinwegsehen, dass die (viel zu viel) gelobte Globalisierung massenhaft Arbeitsplätze nach Asien geholt hat. Und von der KI kann man wohl weniger neu Industriearbeitsplätzen erwarten, eher dramatische Produktivitätssprünge – zu Lasten der heute üblichen Arbeit.

Afrika: Problemlösung mit den Herkunftsländern auf Augenhöhe

Es handelt sich um sieben Länder Südsudan, Somalia, Sudan, DR Kongo, Eritrea, Burundi, Senegal. (Die größten Brocken sind allerdings heute Syrien und Afghanistan – die Verantwortung für deren Misere liegt deutlich im Westen). Die afrikanischen Herkunftsländer repräsentieren gerade mal 15% der afrikanischen Gesamtbevölkerung. Und dabei hat die demokratische Republik Kongo den Löwenanteil von alleine 7%. Und das soll keine lösbare Aufgabe sein?

Afrika: Neuformulierung von Handelsregeln, die heute unfairen Handel bzw. Wettbewerb ermöglichen

Handelsverträge, die verhindern, dass in Afrika sich langsam an die Rohstoffe auch Verarbeitungswertschöpfungsstufen anschließen, müssen sofort beseitigt werden. Genauso ein Fischerei-Regelwerk, das es den Industrienationenerlaubt, die Küsten Afrikas abzufischen. Gerade Nationen, die gar keine Flüchtlinge aufnehmen! Riesige wie Russland und "harmlose" wie Island, räubern, gesichert durch ein Recht das die Starken gemacht haben, die Küsten Afrikas aus. Wäre es Zauberwerk, dies zu ändern?

Tatenlos zusehen, wie sich in Afrika die Bevölkerung verdoppelt schadet Afrika

Hier muss Afrika unterstützt werden, dieses immer noch viel zu starke Wachstum einzubremsen. Die meisten betroffenen Staaten haben weder die Lebensmittelbasis noch einen Arbeitsmarkt, der das absorbieren kann. Offenbar ein Denkverbot?

Krisennahe Lager müssen exzellent ausgestattet werden: Heißt Medizin und (Aus)Bildung

Es ist nicht hinnehmbar, dass diese Lager Elendsquartiere werden. Mit nur einer Reduzierung der Militärausgaben um nur 1% wäre dieses Problem zu lösen. Oder mit einer Umsatzsteuer auf jede Börsentransaktion. Diese würde jene 10% die ohnehin 50% des Weltvermögens besitzen, marginal abschöpfen. Hebel, an denen keiner drehen mag. .

Migrationsursache - die Familie mit Geld aus Europa versorgen?

Deshalb muss kein Mensch im Mittelmeer sterben. Die Summen, die sagen wir fünf Millionen Afrikaner in der EU pro Jahr nach Hause schicken dürfte nicht mehr als - in diesem Kontext - lächerliche 12 Milliarden € sein. Das ließe sich locker per Entwicklungshilfe draufsatteln. Allerdings müßten auch ganz neue Kanäle gefunden werden, um es an jene zu leiten, die damit eine Perspektive aufbauen können, also nicht nur alimentiert werden.

Fazit

Ich frage mich, wie eine Flüchtlingspolitik die den Namen verdient, formuliert werden kann ohne die genannten, ganz wesentlichen Hebel zu nutzen.

Nach innen gesehen, wenn Herr Nouripour meint, es gäbe keine Obergrenze für Migration, dann übersieht er, denke ich, die zweite Säule – neben dem Grundgesetz – gesellschaftlichen Lebens: die Akzeptanz von Lösungen. Gut begründet, kann die sehr weit gehen, aber es bedarf ihrer.

Es kann nicht sein, dass es in Ländern, die mit hoher Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen haben, zu einem Verdrängungswettbewerb kommt. Das wäre Sozialdarwinismus. Es gibt sicher Kräfte, die dies sogar begrüßen.

Es soll auch nicht vegessen werden, dass Asyl nur Schutz von Leib und Leben bedeutet, nicht mehr und nicht weniger. Mit allen Konsequenzen. Oder habe ich da was falsch verstanden?

Dr. Johannes Rauter 17.06.2023